Unsere grosse Reise

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Switzerland
Jacqueline wurde im vergangenen Jahr 40 Jahre alt und Dani konnte den selben Geburtstag dieses Jahr feiern. Wir beide sind seit 10 Jahren verheiratet und kennen uns seit über 20 Jahren. Für uns liefern bereits schon diese Fakten genug Gründe, um ein neues grosses "Midlife"-Abenteuer in Angriff zu nehmen. Das ganze geschmackvoll angereichert mit unserem chronischen Fernweh ergibt nun im Endergebnis eine Reise, von welcher wir noch nicht genau wissen, wohin sie uns im Detail führt, wie lange sie dauert und was genau auf uns zukommen wird. Mit diesem Blog möchten wir euch ein bisschen Anteil an unserem Trip haben lassen und euch aus unserer Optik berichten, was wir in der grossen weiten Welt erleben und was gerade so abläuft. Wir danken euch schon heute für eurer Interesse und wünschen euch viel Spass im Seitenwagen von Jack Daniels.
"Der Gewinn eines langen Aufenthaltes ausserhalb unseres Landes liegt vielleicht weniger in dem, was wir über fremde Länder erfahren, sondern in dem, was wir dabei über uns selbst lernen."

Roger Peyrefitte (*1907), frz. Schriftsteller und Politiker

Samstag, 17. Dezember 2011

Indien - aus vergangener Zeit

Die letzten zwei Wochen haben wir Indien von einer etwas anderen Seite kennengelernt, wir waren unterwegs auf verschiedenen Pfaden, haben die Gegenwart ein wenig in den Hintergrund gestellt und uns auf Spurensuche in die Vergangenheit begeben.

Kolkata

Den meisten von euch wird diese westbengalische Stadt noch unter dem Namen Kalkutta bekannt sein. Als Folge der Unabhängigkeit zum britischen Emporium haben die Inder in den 80-er Jahren aber viele Namen gewechselt (aus Bombay wurde Mumbai, aus Madras wurde Chennai etc.). Kolkata war bis 1911 die koloniale Hauptstadt der Engländer und noch heute deutet vieles auf diese Epoche hin. So gibt es in Kolkata viele mächtige Gebäude, breite Boulevards, englische Kirchen und grosse, streng angelegte Gärten. Alles wirkt heute ein wenig abgewettert und verfallen, was dem Ganzen einen ganz besonderen Charme verleiht. Der Höhepunkt in Kolkata war für uns allerdings der Besuch im Haus der „Missionarinnen der Nächstenliebe“. Hier befindet sich die letzte Ruhestätte der Ordensgründerin, Mutter Teresa. Für viele war sie der Inbegriff menschlicher Aufopferung, und mit ihrer Hingabe für die Ärmsten unter den Armen hat sie ein eindrückliches Erbe hinterlassen. Auch wenn der Orden inzwischen zu einer international tätigen Wohlfahrtorganisation expandierte, lebte Mutter Teresa selbst weiter in absoluter Einfachheit. 1979 erhielt sie den Friedensnobelpreis und im Oktober 2003 wurde sie vom Vatikan selig gesprochen – ein erster Schritt in Richtung Heiligsprechung. Der Besuch bei Mutter Teresa war sehr eindrücklich, lange haben wir die Ruhe und sakrale Stimmung in der Kapelle genossen und wir hatten tatsächlich ein wenig das Gefühl, die Präsenz von Mutter Teresa sei zu spüren – eine ganz schöne Erfahrung.

Dann haben wir schliesslich nach gut zwei Monaten Nordinien verlassen und sind weiter in die Finanz- und Filmmetropole Mumbai geflogen. Wir hatten sofort das Gefühl, in einem neuen Land angekommen zu sein. Hier gibt es sehr viel Reichtum, Banken, Hochglanzgeschäfte, alles ist viel geordneter und einfach auch ein bisschen weniger chaotisch. Da wir Mumbai schon von unserer letzten Reise her kannten, wollten wir uns nicht allzu lange hier aufhalten. So sind wir aufgezogen und haben drei ganz unterschiedliche Orte kennengelernt.

Pune

Wer erinnert sich nicht mehr an Bhagwan Shree Rajneesh, bei uns besser bekannt als der Sexguru Bhagwan. Osho, wie er sich lieber nennen liess, war einer von Indiens schillerndsten und ohne Zweifel umstrittensten „Exportgurus“. Er versuchte, den mystischen Orient weltweit zu vermarkten und wirkte zunächst in Pune. Weltweit erregte er bei vielen Empörung durch seine Ansicht, Sex sei der Weg zur Erleuchtung. Auf dem ganzen Erdenrund probierte Bhagwan mit seiner Ansicht zu missionieren, was ihm nebenbei Millionen von Dollars einbrachte. Schliesslich wurde er in den USA der illegalen Einwanderung beschuldigt und ausgewiesen. Eine endlose Reise begann, auf der Osho und seine Anhänger bei ihrer Suche nach einem neuen Hauptquartier aus 21 Ländern ausgewiesen wurden, bzw. gar nicht erst einreisen durften (z.B. auch die Schweiz). 1987 kehrte er schliesslich zu seinem Ashram in Pune zurück. Auch wenn Bhagwan heute nicht mehr lebt, kommen seine Anhänger immer noch in Scharen aus aller Herren Ländern nach Pune. Wir haben den Ashram nur von aussen gesehen, hatten aber trotzdem die Möglichkeit, durch ein Fenster ins Innere des Komplexes zu schauen. Es ist eine ganz andere Welt dort drinnen, die Leute wirkten alle in Trance, uns war beim Anblick der in Zeitlupentempo tanzenden Leute nicht so wohl, sicherlich interessant, aber bei uns hat das Ganze doch eher eine Gänsehaut ausgelöst.

Hölen von Ellora und Ajanta

Ein Besuch in den Hölen von Ellora und Ajanta (beides UNESCO Weltkulturerbe) gehört schon fast zum Pflichtprogramm eines Indienbesuches. Die Kunst des Höhlenbaus erreichte in den beiden Stätten einen historischen Höhepunkt. Sie sind echte Meisterwerke der alten indischen Felsenarchitektur und wurden fünf Jahrhunderte lang in mühseliger Arbeit von Generationen von buddhistischen, hinduistischen und jainistischen Mönchen aus dem Fels geschlagen. Es entstanden Klöster, Kapellen und Tempel, welche mit einer unglaublichen Präzision bearbeitet wurden. Wenn man bedenkt, dass die ersten Höhlen vor mehr als zweitausend Jahren entstanden, bleibt einem wirklich nur Staunen und Ehrfurcht, was diese Leute vollbracht haben. Beim grössten Tempel, dem Kailash Tempel, wurden 200 000 t Gestein entfernt, alles ohne Dynamit und Kompressor, nur mit einfachsten Hilfsmitteln wie Hammer und Meissel.

Nasik

Nach rund drei Monaten Abstinenz vom Rebensaft freuten wir uns unglaublich auf die Weingüter rund um Nasik. Ja, ihr habt richtig gehört, auch Indien produziert seit noch nicht allzu langer Zeit Wein. Im bergigen Nasik, gesegnet mit fruchtbaren Böden und kühlem Klima, scheinen tatsächlich ähnliche Bedingungen zu herrschen wie in Bordeaux. Bis heute war Nasik vor allem für den Anbau von Tafeltrauben bekannt. Seit einiger Zeit probieren sich aber zunehmend mehr Produzenten mit der Herstellung von Wein, und das Resultat ist verblüffend gut. Obwohl Indien überhaupt keine Weinkultur besitzt, kredenzen die Weingüter sehr schöne Weine. Speziell zu erwähnen sind die Weissweine (Viognier, Riesling, Chenin Blanc) sowie die köstlichen Schaumweine. Mit den Rotweinen allerdings werden sie wohl noch ein paar Jahre Erfahrungen sammeln müssen, bis diese einen internationalen Standard erreichen. Zum Glück haben einige Weingüter das Geschäft mit dem Tourismus entdeckt. So waren wir bei Sula Wines auf einer Tour mit Degustation. Anschliessend liessen wir es uns auf der traumhaften Terrasse hoch über dem Rebberg mit indischem Wein und Häppchen gutgehen, wir fühlten uns wie irgendwo, aber sicher nicht wie in Indien.

Und so ist die Reiserei in Indien für uns schon bald Geschichte. In ein paar Tagen fahren wir mit dem Zug nach Goa und werden uns einen Monat von der nicht ganz so einfachen Indientour erholen. Es erwartet uns ein traumhafter und ziemlich verlassener Strand, ein kleines und gemütliches Hotel inmitten eines Palmenhains, guten Seafood und etwas Ruhe. Da die Mehrheit der Leute in Goa Christen sind, wird natürlich auch ausgiebig Weihnachten gefeiert, was wollen wir also mehr. In diesem Sinne wünschen wir euch allen ein ganz schönes Weihnachtsfest, geniesst es!



ein Erbe der Briten, die (verrostete) Strassenbahn von Kolkata

fast wie in Cambridge, die St. Paul's Cathedral

ein ganz besonderer Ort, die letzte Ruhestätte von Mutter Teresa

die imposante Skyline von Mumbai

eine andächtige Stimmung in den Höhlen von Ellora
einfach unglaublich, alles aus dem Fels gehauen (ausser die Figur im Vordergrund)

der erste Wein seit drei Monaten, und er schmeckte vorzüglich

ein Prosit auf alle zu Huse - SCHÖNE WEIHNACHTEN!

Dienstag, 6. Dezember 2011

Indien - Leben und Tod


Viele Stunden mit unzähligen Kilometern haben wir im Zug verbracht und sind vor ein paar Tagen in der westbengalischen Stadt Kolkata (ehemals Kalkutta) angekommen. Wieder einmal überlegen wir uns, wie wir das Erlebte zu Papier bringen sollen. Die Eindrücke sind dermassen tief, die Gegensätze extrem krass und vieles erscheint uns fast surreal. So beschränken wir uns diesmal auf ein Thema, welches uns beschäftigt und mit dem wir uns fast tagtäglich auseinanderzusetzen haben.

Leben und Tod sind in Indien allgegenwärtig. Wir sehen Menschen vor sich hinvegetieren, was sie von ihrem Leben noch übrig haben, ist unwürdig, es kümmert sich niemand um sie, es hat zu viele Menschen, jeder hat mit sich selbst zu kämpfen. Wir sehen Leute auf der Strasse sterben, es ist absehbar, dass ihnen ihre letzte Stunde geschlagen hat, auf dem Weg in eine (vielleicht) bessere Welt werden sie von niemandem begleitet, alle haben wichtigeres zu tun, bei vielen geht es ebenfalls ums Überleben. Vor unseren Augen verenden Tiere, vor lauter Krankheiten sehen sie aus wie Monster, sie werden von Fahrzeugen überfahren, dies kümmert niemand, die Kadaver lässt man einfach liegen. Wir werden Zeugen, wie Menschen tot auf der Strasse liegen, sie werden in Tücher gewickelt und mit dem Traktor abtransportiert, als wäre es die normalste Sache der Welt.

Die eindrücklichsten Erlebnisse hatten wir aber in Varanasi (ehemals Benares). Willkommen in einem der blendend buntesten, unerbittlich chaotischsten und gnadenlos irrationalsten Orte der Welt. Die Stadt gehört zu den ältesten ununterbrochen besiedeltsten Städten unseres Planeten und zählt zu den heiligsten Orten Indiens. Hinduistische Pilger strömen an die Ghats, die das Ufer des Ganges überziehen, um sich in dem heiligen Wasser von ihren Sünden reinzuwaschen oder um die Leichen ihrer Angehörigen einzuäschern. Die Toten werden singend auf Bahren durch die engen Gassen der Altstadt getragen bis der Leichenzug das Ufers des Ganges erreicht hat. Der Körper wird in den „heiligen“ Fluss getunkt und anschliessend auf den bereits vorbereiteten Scheiterhaufen gelegt. Das Feuer wird entfacht und die sterblichen Überreste werden verbrannt, bis am Schluss die gesamte Asche in den Fluss gestreut wird. Alles geschieht unmittelbar vor den Augen der Anwesenden, man sieht alles, wirklich alles – man riecht alles, wirklich alles. Die intimsten Rituale von Leben und Tod finden hier in aller Öffentlichkeit statt. Varanasi ist nichts für Zartbesaitete, auch uns sind diese Momente ziemlich eingefahren. Wer sich aber wie wir auf die Stadt einlässt, erlebt wohl die magischsten und eindrücklichsten Momente seines Lebens.

In Indien gehört die Vergänglichkeit des Seins zum Alltag. Wie offen und selbstverständlich die Leute damit umgehen, beeindruckt uns zu tiefst, es gibt keine Tabus, der Tod gehört zum Leben, das Leben zum Tod. Jeder akzeptiert sein Karma und schaut seinem Schicksal tief in die Augen, der hinduistische Glauben an die Reinkarnation (Wiedergeburt) sowie das (offiziell abgeschaffte!) Kastensystem tragen das seinige dazu bei. Im nächsten Leben wir alles anders.

Viele solcher Bilder erleben wir nur deshalb so intensiv, weil wir in den Städten nicht wie viele andere Touristen mit Bus, Rikscha oder Taxi unterwegs sind, sondern uns mehrere Stunden zu Fuss durch das chaotische und lärmende Strassengewirr bewegen. Wir sind mittendrin, wir gehören quasi dazu, wir fühlen den Puls des Lebens.

Immer wieder ringen wir um Worte, wenn wir über dieses Land berichten möchten. Gelingen wird es uns wohl nie, Indien kann man nicht beschreiben, Indien muss man erleben. Der Autor unseres Reiseführers schreibt, dass Indien wohl zu einem der am schwierigsten zu bereisenden Länder gehört, wir können dem nur beipflichten. Es wird einem alles abverlangt, der Gegenwert allerdings ist unermesslich, er ist unbezahlbar.


die verwinkelten Gassen von Varanasi

hier hat es Platz für alle Gestalten

die einen baden als religiöses Ritual...

...andere wiederum baden, um sich zu reinigen

...oder sie benutzen den Fluss um Kleider zu waschen

der Ganges muss für alles hinhalten

für uns kommt da eine Kaffeepause gerade gelegen

Samstag, 26. November 2011

Indien - eine Bahnfart

Die Wartezeit am Bahnhof ist spannend, kommt der Zug, wann kommt er, sind unsere Plätze wirklich reserviert? Und plötzlich fährt ganz langsam und gemächlich eine hupende Diesellokomotive mit mindestens 50 Wagen ein. Ziemlich pünktlich, man könnte fast die Uhr nach der Indian Railway stellen. Nachdem wir endlich den richtigen Wagen gefunden haben, probieren wir uns mit vollem Einsatz in das Innere zu zwängen, nicht ganz so einfach, es hat Leute ohne Ende und alle wollen das Gleiche wie wir. Endlich bei unseren Plätzen angekommen, stellen wir fest, dass sich bereits schon jemand anders auf den Sitzen gemütlich eingerichtet hat. Kein Problem, die Regel Nummer eins beim Zugfahren in Indien lautet: Dein Platz ist immer besetzt, setz dich an einen anderen Ort. Da sich alle an diesen Grundsatz zu halten scheinen, sitzen am Schluss tatsächlich auch alle, irgendwie, irgendwo. Ganz langsam setzt sich das kolossale Vehikel in Bewegung, die letzten Personen steigen auf, die Reise kann beginnen. Es dauert nur wenige Augenblicke, bis die ersten Chai-Verkäufer mit ihren sonoren Stimmen die Passagiere zum Kauf des indischen Nationalgetränks animieren, ein Rufen, dass sich über die ganze Reise fortsetzt. Wir sind die einzigen Touristen, die einzigen Weissen, von überall her begegnen uns dunkle Gesichter, neugierige Augen, hie und da ein verlegenes Lachen. Wir können ihre Sprache nicht verstehen, sie unsere nicht, und doch heissen sie uns in ihrer Gesellschaft sofort willkommen. Toleranz gegenüber Fremden ist für sie kein Fremdwort, man muss nicht die gleiche Sprache sprechen, um miteinander zu kommunizieren. Die Fenster sind geöffnet, der angenehm warme Wind bläst uns ins Gesicht, eine unglaublich schöne Landschaft zieht an uns vorbei, wir fühlen uns frei. Dann ein Halt am Bahnhof im Nirgendwo, den Ort finden wir nicht auf der Landkarte. Das ältere und äusserst sympathische Ehepaar neben uns hat ihr Ziel erreicht, wohin sie der Weg wohl führen mag? Auch sie haben uns, wie bereits so viele vor ihnen, auf unserer langen Reise begleitet, wenn auch nur für einen ganz kurzen Augenblick. Die Begegnung war für uns eine Bereicherung, das herzliche Lachen dieser Frau packen wir als Souvenir ein. Der Zug setzt sich wieder schleichend in Bewegung, die Bilder an den Geleisen sind schockierend und faszinierend zugleich. Leute verrichten kauernd ihr Geschäft, das Rollmaterial dient ihnen als Toilette, die Sonne reflektiert das Licht in den frisch gewaschenen und bunten Gewänder, Blechhütten und primitivste Zelte flankieren die Bahnhofsausfahrt, Kinder lachen, schreien und spielen auf dem vom Dreck und Abfall überhäuften Vorplatz. Was erwartet das Leben von ihnen, was erwarten sie vom Leben? Sie gehen wohl eher einer unsicheren Zukunft entgegen. Und bald schon rast der Zug wieder mit Hochgeschwindigkeit inmitten üppiger Landwirtschaft. Frauen und Männer bestellen ihre Felder mit Ochsen und Wagen, fast wie zu Gotthelfs Zeiten. Die Sonne sinkt langsam dem Horizont entgegen, ihre Kraft lässt nach, die Farbe hat sich in ein sattes Orange verwandelt, der Tag neigt sich seinem Ende zu und somit auch unsere Bahnfahrt. Mit nun doch grösserer Verspätung treffen wir an unserem Endpunkt ein und steigen aus. Die anderen Passagiere aus unserem Abteil bleiben sitzen. Noch einmal schauen wir zurück, der Zug rollt wieder an, er ist noch lange nicht am Ziel. Wohin führt wohl der Weg für die freundliche Familie aus dem Wagen S7? Es war schön, dass wir sie auf ihrer Reise begleiten durften, wenn auch nur für einen ganz kurzen Augenblick.
Zug fahren in Indien ist nicht einfach von A nach B zu gelangen, es ist Kultur, es ist ein Ort der Begegnung, es ist eine Philosophie, es gibt nichts Vergleichbares.

emsiges Treiben am Bahnhof...

...farbenfrohe Bilder kurz nach der Abfahrt...

...und die Welt zieht einfach an uns vorbei

die Beiden haben es uns angetan...

...und die Attraktion im Zug sind eindeutig wir

Donnerstag, 17. November 2011

Indien - Episoden

Die vergangenen zwölf Tage waren wir im Bundesstaat Rajasthan, was übersetzt „Land der Könige“ heisst, unterwegs. Am besten und bequemsten ist es, diese Gegend mit dem eigenen Fahrzeug zu erkunden. Da aber nur die Wagemutigsten hier selber rumkurven, ist es in Indien üblich, dass man beim Mieten eines Fahrzeuges auch gleich einen Fahrer dazu nimmt (Kostenpunkt Fr. 35.--/Tag, alles inklusive). So haben wir uns diesen Luxus gegönnt und sind losgezogen. Ja und was haben wir nicht alles gesehen.

Ein Höhepunkt war sicherlich die Kamelschau in Pushkar. Immer im Kartika, dem achten Mond-Monat im Hindu-Kalender schniegeln und striegeln die Kameltreiber ihre Wüstenschiffe und machen sich auf den langen Marsch Richtung Pushkar. Jedes Jahr versammeln sich hier ca. 200‘000 Menschen und rund 50‘000 Kamele. Der Ort verwandelt sich in einen aussergewöhnlichen Wirbel aus Farben, Geräuschen und Bewegung, überschwemmt von Musikern und Mystikern, Touristen und Tieren, Händlern und Heiligen. Es war sagenhaft, diesem Schauspiel beizuwohnen.
Ein anderes Highlight war das unglaublich imposante Fort von Jodhpur. In dieser gewaltigen Festung liessen es sich die Maharadschas in der Vergangenheit so richtig gut gehen. Es ist einfach unglaublich, in welchem Prunk und Überfluss diese Herrscher damals gelebt haben. Das Fort ist übrigens derart bekannt, dass auch Hollywood darauf aufmerksam wurde. In den vergangen Monaten wurden hier Szenen zum neusten Batman-Streifen gedreht.
Und noch weiter westlich sind wir dann definitiv in der Wüste Thar gelandet. In Jaisalmer war es nicht mehr so hektisch und chaotisch, alles lief etwas langsamer und geruhsamer ab, dies ist  bestimmt auch auf die enorme und trockene Hitze zurückzuführen. Aus dieser Umgebung von tausend und einer Nacht bleiben uns zwei spezielle Erlebnisse in bester Erinnerung. Als erstes feierten wir mit Indischem Whiskey und Pepsi unseren elften Hochzeitstag und ritten dann tags darauf hoch zu Kamel über die herrlichen Sanddünen in den Sonnenuntergang, wie romantisch, nicht?
Eigentlich könnten wir über Rajasthan noch viel mehr schreiben, über Orte, über Sehenswürdigkeiten etc. Wir glauben aber, dass euch gewisse Randnotizen ebenso interessieren, und berichten deshalb lieber auch ein wenig darüber, was wir sonst noch alles in Indien erleben.
Wir stehen am Ticketschalter fürs Museum. Die Tickets kosten 150 Rupien (ca. Fr. 3.--) und wir bezahlen mit zwei Hundertrupiennoten. Der freundliche Angestellte fragt uns: „ no change sir (kein Kleingeld)?“ Wir antworten mit:“ No, we have no change“, worauf uns der nette Herr die beiden Hunderternoten wieder zurückgibt. Noch immer freundlich erklärt er uns: „no change, no tickets!“ und verweist uns an den nächsten Schalter wo bereits eine lange Schlange ansteht. Zu erwähnen sei hier noch, dass der Herr im Schalterhäuschen Nr. 1 etwa zwanzig Fünfzigernoten als Wechselgeld in seiner Kasse gehabt hätte. Es war ihm vielleicht heute einfach nicht so „drum“. Auch das ist Indien! 
Wir essen gut und genug und verlangen nach dem leckeren Mahl die Rechnung. Bevor wir diese richtig prüfen können, sagt uns der Kellner ganz verlegen, dass er gerade sehe, dass etwas nicht aufgeführt sei. Er rechnet das vergessene Gericht kurz im Kopf zum bereits fakturierten Betrag dazu und informiert uns über die neue Gesamtsumme. Der gute Mann vermeidet es natürlich, die Rechnung abzuändern, vergessen denn neu zu schreiben. Wir denken uns nicht viel dabei und bezahlen. Als dieses Spiel auch in anderen Restaurants immer wieder gleich abläuft, kommen wir dem Ganzen langsam auf die Schliche. Die Kellner haben sich hier einen lukrativen Nebenverdienst eingerichtet. Auch das ist Indien! 
Morgens um acht, wir stehen auf und geniessen die angenehme Kühle der Klimaanlage. Und auf  einmal „black out“. Der Strom ist ausgefallen. Na gut, das weiss man ja eigentlich von Indien. Es dauert ganze drei Stunden, bis die Elektrizität zurückkehrt. Am anderen Morgen stehen wir um acht Uhr auf und wieder Stromausfall. Am dritten Morgen um acht…richtig, kein Strom. Als wir an der Reception (wir sehen die dunkelhäutigen Angestellten kaum im ebenfalls stromlosen Büro) mal nachfragen, sagt man uns mit einem freundlichen und netten Grinsen und mit absolulter Selbstverständlichkeit, dass Aufgrund der Stromknappheit in dieser Stadt jeden Morgen für drei Stunden der „Pfuus“  abgestellt würde!“ Auch das ist Indien! 
Wir laufen durch die verstopften und schmutzigen Strassen, zu den Menschen und Hunden gesellen sich hunderte von Kühen. Es erübrigt sich wohl zu erwähnen, dass es von Vorteil ist, wenn man genau auf die Strasse schaut, bevor man jeweils den nächsten Schritt macht. Die Konsistenz der indischen  Alpenpizza ist nämlich ziemlich hässlich. Kein Wunder bei dem, was die Kühe alles so fressen: Bananenschale, Zuckerrohr, Besen, Karton, Erde, Papier etc. Zu guter Letzt geben diese Viecher auch noch Milch. Da trinken wir doch lieber einen guten Schwarztee. Auch das ist Indien! 
Apropos Schwarztee, Balmers beim Frühstück. Wir studieren die Menükarte und sehen, dass eine Tasse Tee 10 Rupien kostet und ein Krug 50 Rupien. Als Schweizer rechnen wir natürlich ganz genau durch und bestellen den Krug, da kriegt man bestimmt mehr fürs Geld. Als uns der Kellner dann ein kleines “Chrüegli“ des schwarzen Getränks bringt, sind wir leicht konsterniert. In diesem Gefäss befinden sich nicht mehr als zwei Tassen, es kostet aber mehr als doppelt so viel, als wenn wir einzelne Tassen bestellt hätten. In unseren Augen macht das absolut keinen Sinn und wir fühlen uns leicht über den Tisch gezogen. Auf unsere Reklamation geht der Kellner nicht gross ein. Auch er gibt uns seine Antwort mit einem verschmitzten Lächeln: Das nächste Mal sollen wir doch vorher fragen, wie viele Tassen im Krug seien. Auch das ist Indien!
Und so gäbe es auch in dieser Hinsicht noch viel mehr zu erzählen, tagtäglich erleben wir solche oder ähnliche Situationen. Kunst ist es, locker damit umzugehen und ebenfalls nur darüber zu lachen. Aber unter uns gesagt, manchmal braucht es schon auch Nerven wie Drahtseil oder eine gewaltige Portion Geduld. Auch das ist Indien!

NACHTRAG: Puhhhhhhh, geschaft. Diese Internetverbindungen hier bringen einem fast zur Verzweiflung. Ganze vier Stunden haben wir nun für diesen Eintrag gebraucht, die Übertragungsrate ist soooo was von langsam und wenn es dann einmal läuft, fällt bestimmt wieder der Strom aus:-(

diese Lady hat sich aber ganz schön zuercht gemacht...

...und ihre Besitzer ebenfalls

Grössenwahnsinn pur bei den Maharadschas

eine indische Alpweide
Prost auf elf Jahre Krieg!

Dani Baba und die vierzig Räuber

die Brass Band Hinterindien stellt sich in Pose

mhhh, gudi gudi feini feini

hier noch etwas zum Thema Weihnachten

Sonntag, 30. Oktober 2011

Indien - erste Eindrücke

Wir reisen nach Indien und kennen dieses Land zum Glück schon etwas, dachten wir. Nun, bereits in den ersten Tagen mussten wir uns eingestehen, Indien kann man wohl nie richtig kennen. Das smoggeschwängerte Delhi hat uns voll in seinen Bann gezogen, es verlangt einem alles ab, es ist ein Angriff auf sämtliche Sinne, Indien fordert. Wir erhalten jedoch ein vielfaches zurück. In den schmuddeligen und diffusen Gassen der Altstadt riecht es nach herrlichen Currys, nach Urin, nach inspirierenden Räucherstäbchen, nach verdorbenem Fleisch...Autos, Motorrad- und Fahrradrichkas hupen, hupen, hupen und schlängeln sich tollkün durch die immense Menschenmasse, Leute feilschen, lachen, beobachten, alles ist in Bewegung, eine grosse Hektik, und doch scheint das Ganze irgendwie zu funktionieren. In den Strassengräben und auf Gehsteigen liegen Leute, haben kaum noch Kraft vor lauter Hunger, das Ende scheint ihnen so nah, leben sie überhaupt noch? Ein paar hundert Meter daneben sonnt sich die Upper Class von Delhi bei einem Latte Macchiato, kauft den neusten Laufschuh von Adidas oder leistet sich noch schnell eine Rolex, denn beim aus dem Boden gestampften Formel 1 Rennen am Sonntag will man ja gut aussehen...völlig dekadent! Es braucht eine dicke Haut, um das alles einzuordnen, vergessen denn zu verstehen. Und trotzdem kann man nicht einfach wegschauen, 1/6 der Weltbevölkerung lebt in diesem Land, sie alle gehören ebenso zu unserer Welt, wie die glamouröse und vom Wohlstand geprägte Gesellschaft des Westens.

Delhi hat aber auch noch ein ganz anderes Gesicht. Protzige und eindrückliche Bauten aus vergangener Zeit zieren die breiten Alleen von New Delhi. Grabmäler und riesige Forts zeugen von Überfluss und Macht der Grossmogule und Maharadschas und schliesslich erinnern diverse Museen, Strassen und Gedenkstätten an Indiens wohl berühmtesten Sohn, Mahatma Gandhi.

Alles in allem war der fünftägie Aufenthalt in Indiens Hauptstadt herausfordernd und eine Bereicherung zugleich. Wir glauben, jetzt sind wir so richtig parat, um weitere Eindrücke in uns aufzunehmen. Eigentlich könnte der Werbeslogan von Indian Tourismus treffender nicht sein:

"Incredible India!"

diese ÖV's unterscheiden sich leicht von unseren

..........

die einen haben einen Hund an der Leine, andere wiederum...

an dieser Stätte wurden die sterblichen Überreste von Mahatma Gandhi eingeäschert

Fotoshootings mit einer westlichen Person sind bei den Indern ganz hoch im Kurs

und wohlverstanden, hier handelt es sich um ein Grabmal

gekocht wird in Indien ohne Übertreibung an jeder Ecke



Sonntag, 23. Oktober 2011

Nepal - in eisigen Höhen

Lange haben wir darauf hin gefiebert, die Vorfreude war immens, intensiv war unsere Vorbereitung, doch ungewiss das, was die nächsten zwei Wochen auf uns zukommen würde. Das grosse Unterfangen „Annapurna-Umrundung“ war zum Fassen nah.

Mit der Gruppe, bestehend aus Dänen, Spanier und Australier, sowie einer fünfköpfigen Crew startete unser Unterfangen auf gerade mal 850 M.ü.M, inmitten üppiger Tropenvegetation. Die Luft war feucht, die Temperaturen hoch und vor uns lagen vierzehn Trekkingtage mit rund 5‘000 Höhenmeter. Die Tagesabläufe ähnelten sich und wichen kaum voneinander ab. Nach dem Frühstück wurden die Rucksäcke gepackt, die Wanderschuhe angezogen und los ging’s. Der Pfad führte uns in regelmässigen Abständen durch sehr einfache, doch von grosser Idylle geprägter Dörfer. Die Leute hier haben ein hartes Leben, im Sommer peitscht ihnen der Monsunregen um die Ohren, im Winter kämpfen sie gegen die klirrende Kälte und materiell stehen sie wohl so etwa am Anfang des letzten Jahrhunderts. Sanitäre Anlagen sind Mangelware und gegessen wird nur Reis und Gemüse…den ganzen Tag, jeden Tag! Und doch scheinen sie so zufrieden, man kann es in ihren Augen lesen, man entnimmt es an ihrem herzlichen Lachen, sie haben sich mit dieser Umgebung arrangiert, in Sachen Problemlösung sind sie grosse Vorbilder. Den Treckern bieten sie höchstmöglichen Komfort, was vier dünnen Holzwänden, zwei harten Pritschen, einem gemeinsamen Open-Air Plumpsklo (Tschinggeschiise) sowie einer kalten Dusche entspricht…wohlverstanden für jeweils etwa 30 Personen pro Unterkunft. Unsere Ansprüche wurden auf ein Minimum zurückgestuft und es ging trotzdem. Geschlafen und gegessen haben wir immer sehr gut, was will man eigentlich mehr. Die Landschaft ist enorm vielseitig, sie verändert sich tagtäglich und fast mit jedem Höhenmeter. Nach einer Woche hatten wir inmitten gischender Wasserfälle und Pinienwäldern sogar ein wenig Heimatgefühle. Und über all dieser herrlichen Landschaft thronen die gigantischen Achtausender des Himalaya-Gebirges. Unsere Emotionen sind überwältigend, umso schwerer fällt es uns, diese Eindrücke in Worte zu fassen. Als wäre das alles noch nicht genug, wirkt eine unglaublich spirituelle Kraft auf uns, welche als zusätzlicher Energielieferant dient. Seien es die an jedem Dorfeingang stehenden Gebetsmühlen, die im Winde wehenden Gebetsfahnen, die gesungenen Mantras der Mönche oder der allgegenwärtige Geruch von Räucherstäbchen. Das hier ist wahrlich eine ganz andere Welt.
Mit jedem Höhenmeter wurde aber auch die Luft dünner und dünner, die Schritte langsamer und der Schlaf nicht mehr ganz so tief. Ab 4‘000 M.ü.M mussten wir Ruhetage einbauen, Akklimatisation auf dieser Höhe ist lebenswichtig. Das sieht in etwa so aus, dass man vom Dorf aus über eine Wiese voller Yaks soweit auf einen Berg wandert, bis man die Höhe der nächsten Etappe erreicht hat, kurz ein paar Fotos schiesst und sich wieder auf den Abstieg ins Dorf macht.
Und dann machen wir uns am letzten Tag um 05.00 Uhr schliesslich auf die Socken, um den grossen Aufstieg zum Thorong-La Pass in Angriff zu nehmen. Es stehen die letzten tausend Höhenmeter vor uns, es geht langsam voran, das Herz pumpt mit Hochdruck, der Atem fällt schwer, die Temperaturen sind bitterkalt, die majestätischen Gipfel werden von den ersten Sonnenstrahlen angeschienen, einfach Wahnsinn! Und dann haben wir unser Ziel auf 5‘416 M.ü.M erreicht. Die Gefühle sind umwerfend, der morgendliche Ausblick auf Gletscher, Fels und sattblauen Himmel verschlägt einem gänzlich die Sprache…und wer jetzt glaubt, das wäre es gewesen, irrt sich. Der Abstieg vom Pass führt uns direkt ins sagenumwogene und geheimnisvolle Königsreich Mustang, als Schlussfeuerwerk erhebt sich vor uns der Dhaulagiri; mit seinen 8'167 M.ü.M. ist er der siebthöchste Berg der Welt.
Man soll mit Superlativen immer etwas vorsichtig umgehen, dessen sind wir uns voll bewusst. Wenn wir aber sagen, dass dieser Trek zu den drei schönsten Erlebnissen in unserem ganzen Lebens zählt, übertreiben wir wohl kaum. Zum Glück hatten wir an den Gestaden des Sees im wunderschönen Bergstädtchen Pokhara, und nun auch noch einmal hier in Kathmandu die Gelegenheit, das alles richtig einzuordnen und zu verarbeiten. Es war wirklich eine einmalige Zeit, wir kommen garantiert wieder, unser Fokus richtet sich nun auf Indien.


angefangen hat alles inmitten sattgrüner Reisfelder, ...

...ging weiter durch schmucke Bergdörfer...

...und vorbei an meditativen Gebetsmühlen

tosende Wasserfälle leisteten uns regelmässig Gesellschaft

unsere international zusammegewürfelte Gruppe vor einem Kloster

faszinierender Ausblick auf den Manaslu (8'163 M.ü.M)

auf den Spuren unseres Porters (man beachte seine Schuhe!)

Gebetsfahnen, wohin man schaut...

...und eine besinnliche Morgenstimmung auf dem Lande

die riesigen Yaks sind ziemlich furchteinflössend

Akklimatisieren vor dem grossen Aufstieg ist das A und O

das langersehnte Ziel auf 5'416 M.ü.M ist erreicht

mit einem umwerfenden Blick auf den Dhaulagiri (8'167 M.ü.M)...

...und hinein ins Königsreich Mustang

geschafft, die Annapurna-Kette ist umrundet